Zwei Tage Ashgabat und zurück nach Deutschland

10.02.06 Ashgabat/Turkmenistan, 22.57h

Heute Mittag habe ich die Internetseiten hochgeladen. Glücklicherweise hat unsere Zweigstelle im Büro eine Flatrate. Die vielen Mails abzurufen hat fast 2 Stunden gedauert und bis die Bilder und die Texte hochgeladen waren, sind noch einmal zwei Stunden vergangen.

Zwischendurch waren wir am Flughafen, um meine Flugtickets umzutauschen, damit ich am Montag um 02.20h abreisen kann.

Endlich hatte ich mal wieder Leute um mich, mit denen ich ordentlich kommunizieren konnte. Die Bilder aus dem Kraftwerk und der Umgebung haben auch unsere Mitarbeiter vor Ort geschockt.

Geschockt war ich, als ich online meine Telefonrechnung abgerufen habe. Ich habe ein paar mal kurz in Erlangen bei unserem Systemspezialisten, das Büro in Ashgabat und die russischen Kollegen vor Ort angerufen. Insgesamt habe ich etwa eine Stunde mit einer saumäßigen Übertragungsqualität telefoniert und dafür standen dann etwa 680 Euro auf der Rechnung. Die SMS-Nachrichten, mit denen ich Termine mit den Kollegen abgesprochen habe, schlugen mit lediglich 20 Euro zu Buche.

Auch richtige Nachrichten zu lesen und zu sehen ist mal wieder eine Wohltat. Gerade läuft das "19.00h-Heute" im ZDF. In Bayern liegt meterweise Schnee und hier hatten wir heute an die 30°C und herrlichen Sonnenschein, allerdings ist es fast schon stürmisch. Mir war schon im kurzärmligen Hemd warm und ich habe leicht geschwitzt, aber um mich herum hatten alle Leute noch Lederjacken an. Wie soll es erst im Sommer sein?

Bei meinem letzten Besuch waren die Wolken dicht und die Sicht war schlecht, aber jetzt habe ich von meinem Hotelzimmer einen wunderbaren Blick auf die Gebirgskette, die Turkmenistan vom Iran trennt. In der anderen Richtung ist das Land extrem flach und staubig. Das Bild Links habe ich so auch von meinem Balkon aus gemacht.

11.02.06 Ashgabat/Turkmenistan, 22.00h

Ausflug in die Berge. Wir haben einen unterirdischen See besucht. Er soll mehrere Kilometer lang sein, wir haben aber nach etwa 100 Metern Fußweg in die Tiefe und 100.000 Manat Eintritt für Ausländer (mich) und 10.000 Manat für die Locals (alle anderen) nur die ersten 10 Meter gesehen. Das Wasser war sehr warm und mehrere Leute haben im See geplanscht. 

Auf dem Weg zur Höhle haben wir ein kleines Meer gesehen. Es war der Kanal, der das kaspische Meer, den Aralsee und einen Fluss in Turkmenistan verbindet. In einem Reiseführer habe ich gelesen, dass dieser Kanal dazu beigetragen haben soll, den Aralsee zu weiten Teilen auszutrocknen.

Das Panorama war aber prima. Strahlender Sonnenschein, ein riesiges Meer mit klarem blauen Wasser und auf der anderen Seite ein großes Gebirge. Durch drei Passkontrollen und weil wir uns in den neuen Regionen registrieren lassen mussten, hatten wir beim Anstehen an den Kontrollposten genug Zeit, das Panorama unterwegs zu genießen.

Durch Turkmenisches Verhandlungsgeschick wurde uns glücklicherweise eine weitere Registrierung erspart.

 

 

Die Berge waren super. Während meine Begleiter bereits nach dem Aufstieg aus der Höhle erschöpft waren, bin ich noch recht viel geklettert und konnte so ein paar schöne Bilder machen. Mit dem Auto sind wir dann noch bis zur ersten Grenzlinie zum Iran gefahren. Es gibt drei Linien. An der ersten Linie fängt das Sperrgebiet für alle Ausländer und nicht registrierten Einwohner der Orte in dieser Zone an. Ab der zweiten Linie liegt die neutrale Zone, ein militärisches Sperrgebiet und die dritte Linie ist tatsächlich die Grenze zum Iran. Die Berge sind dort bereits sehr hoch und die Gipfel waren mit Schnee bedeckt.

Zwischendurch habe ich noch eine SMS aus dem Kraftwerk bekommen. Inzwischen ist der Generator am Netz und unser Regler funktioniert scheinbar einwandfrei.

Gestern und heute hatte ich auch wieder einige Gespräche über den Präsidenten und den Personenkult. Die Leute hier sind scheinbar große Personenbilder aus Zeiten der Sowjetunion gewöhnt und nach der Perestroika waren die ganzen Plätze, wo früher Bilder der russischen Präsidenten und anderen Ikonen des Kommunismus hingen leer. Diese Flächen wurden dann nach einiger Zeit mit dem neuen Präsidenten aufgefüllt. Es scheint sich aber niemand hier wirklich daran zu stören. Eine andere Sache, die auch ich positiv sehe, ist die niedrige Kriminalitätsrate. Ich habe noch nie etwas von Diebstahl, Raub oder anderen Verbrechen gehört und bedroht fühle ich mich auf den Straßen, seit ich mich an die ganzen Soldaten gewöhnt habe, auch nicht mehr. Gestern hat mich ein sehr junger, fast sympathischer Soldat nach der Uhrzeit und dann nach einer Zigarette gefragt.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion strebt Turkmenistan immer mehr nach Unabhängigkeit und einer eigenen Identität, was sicherlich etwas gutes ist, aber ich frage mich, ob es inzwischen nicht etwas zu weit geht. Die traditionellen Kleider finde ich recht schick, ein gesunder Nationalstolz muss auch nichts schlechtes sein. "Unturkmenisches" wie Kino und weitere westliche Einflüsse wie Musik und Mode zu ächten, sehe ich aber kritisch. Das Lokalfernsehen ist, wie gesagt, eine einzige "Wahlwerbesendung" und Volklore auf 4 Kanälen. Ich habe sogar gehört, dass inzwischen keine Fremdsprachen mehr unterrichtet werden und viele junge Menschen nicht einmal mehr Russisch sprechen. Turkmenisch ist dabei mit knapp 5 Millionen Turkmenen sicherlich  keine Weltsprache. In Ashgabat ist aber nach wie vor Russisch die Umgangssprache Nummer Eins.

Wenn die jetzige Generation der Menschen, die noch Russisch können, nicht mehr im Arbeitsleben steht, sieht es wahrscheinlich nicht sehr berauschend für die Zukunft aus. Öl wird es hier noch etwa 20 Jahre geben, Gas vielleicht 100 Jahre, aber was dann? Auch gibt es keinen potentiellen Nachfolger für den bereits gealterten Präsidenten, der immerhin schon eine Herzoperation hinter sich hat. Mitbewerber wurden früh aus dem Rennen geworfen und seine Kinder leben außerhalb Turkmenistans. Von Monumenten und Prachtbauten kann in Zukunft niemand leben.

Ich habe auch gehört, dass der Präsident auch gegen Islamismus und anderen extremen politischen Richtungen hart durchgegriffen hat. Die meisten Turkmenen, die ja größtenteils muslimisch sind, sind nicht sonderlich religiös. So ist weder Alkohol noch Schweinefleisch verpönt und viele sollen Angst vor islamischen Staaten wie damals Afghanistan oder dem Iran, der von hier ja gerade einmal 50 Kilometer entfernt ist, gehabt haben. Das Demokratieverständnis ist weltweit auch sehr unterschiedlich und solange der Präsident hier so viel Rückhalt in der Bevölkerung hat, wird sich hier wahrscheinlich so schnell nichts ändern.

Noch was zum Präsidenten: Er fährt einen dicken Benz. Er fährt immer selbst, aber vor ein paar Jahren gab es ein Attentat. Es wird spekuliert, ob er es selbst inszeniert hat. Sei es, wie es sein, diese Aktion wurde zum Anlass genommen, den Oppositionsführer zu verhaften. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

Letzter Tag, 12.02.06, Ashgabat, 20.27h

Gestern Abend habe ich noch in der Hausbar ein Clubsandwich gegessen. Dabei habe ich mich mit einem etwas älteren Engländer unterhalten, der seit einem halben Jahr hier ist. Seit bereits 20 Jahren reist er durch die Welt und er meinte, er habe noch nie ein so "besch****" Land wie Turkmenistan gesehen. Da freue ich mich richtig auf die anderen Projekte, die noch kommen. Begeistert bin ich von diesem Land zwar nicht, aber ganz so schlimm wie er sagt, war es auch wieder nicht. Nach eineinhalb Stunden Smalltalk über Musik und der Beziehung zwischen Deutschland und England und mehreren Bier ging er mit einer Kleinen und recht jungen Unbekannten, die später hinzu kam und sich die ganze Zeit an ihn geschmiegt hatte auf sein Zimmer. So ein süßes Mädel. Würde sie mir woanders unter anderen Umständen begegnen, wäre ich hin und weg, selbst wenn sie kaum ein Wort Englisch spricht.

Nachdem sich die Aufzugtür hinter den beiden geschlossen hatte, saßen außer mir nur noch ein steinalter, angetrunkener Engländer und vier oder fünf weniger attraktive "Servicedamen" in der Bar, die mich bereits begierig anschauten. Ich bezahlte schnell und ging in die Disco im Keller, um nach einer kurzen Runde durch die Menge auf mein Zimmer zu gehen.

Heute habe ich noch einen kleinen Gewaltmarsch gemacht, um mal hinter die Kulissen zu schauen. So bin ich gut 15 Kilometer kreuz und quer durch die Stadt und in die Vororte gelaufen. Slums mit Satelitenschüsseln trifft es eher, aber da ich die ganze Zeit von allen Seiten beäugt wurde, habe ich die Kamera in der Tasche stecken lassen. Ich denke, dass die Gegend, in der ich war, neuen Prachtbauten zum Opfer fallen soll, da es oben auf einem Hügel lag und man einen schönen Blick auf die Stadt hatte.

Hier Links noch einmal der Präsident in Gold und hinter ihm ein riesiges Pferdedenkmal.

Als ich dann wieder bei dem Palast vorbei kam, sind direkt drei Soldaten im Laufschritt auf mich zugekommen, um mich freundlich daran zu erinnern, dass Fotos nicht gestattet sind. Um den Palast sind grob geschätzt knapp 1000 Soldaten postiert. Alle paar Meter auf beiden Seiten des Zauns stehen sie. Woher die alle kommen? Tja, in Turkmenistan gilt die Wehrpflicht und der Armeedienst dauert 3 Jahre!!! Also gibt es immer genug Nachschub.

Noch was: Führerscheine! Die kann man hier kaufen! Umgerechnet 200 USD und man darf direkt losfahren! Wer nicht so viel Geld hat, macht einen zweimonatigen Kurs, der etwa 50 USD kostet und darf dann auch fahren. Es wird überlegt, den Direkteinstieg für Frauen zu verbieten, da sie zu Beginn scheinbar deutlich mehr Unfälle verursachen als die Männer. (Kein Scherz!!!)

Vorsorglich lege ich für die Ausreise meine alten Socken und getragenen Unterhosen, sowie die Arbeitskleidung im Koffer nach oben. Bei der Ausreise muss ich noch einmal 25 USD Ausreisegebühr zahlen. Übrig habe ich dann ein paar Euro, 3 USD und etwa 125.000 Manat (ca. 5 USD), die ich heute in ein Abschiedsbier investieren werde. Wenn das mal keine Punktlandung war. Hoffentlich stranden wir nicht schon wieder!

Ich gehe mal davon aus, dass der Flug problemlos verlaufen wird und somit schließe ich das Kapitel Turkmenistan.

Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei den Kollegen und Mitarbeitern hier in Turkmenistan und in Deutschland bedanken, die sich so toll um mich gekümmert und mich unterstützt haben!!!

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