Mary, Merv und wieder zurück nach Ashgabat

03.02.06 Mary/Turkmenistan, 19.36h

Es ist warm geworden. Vor zwei Tagen lag hier noch eine dichte Schneeschicht und heute saß ich nach der Arbeit barfuss und im T-Shirt auf meinem kleinen Balkon. Heute gab es mal keine bösen Überraschungen. Die Ameisen aus dem Bad sind weg und so bleibe ich in meinem Zimmer, bei der Arbeit läuft's ganz gut. Weil unser Fahrer den Russen nach Ashgabat gefahren hat, musste ich mir selbst ein Taxi suchen. Angehalten haben drei Turkmenen in einem nur noch so halb fahrtüchtigen Lada. Mit Händen und Füßen habe ich mich mit einem über Autos unterhalten. 

Gerade habe ich noch einen Spaziergang durch den Vorort gemacht und dort gab es kaum noch Bilder und Monumente vom alten Herren. Im Gegensatz zu China werde ich hier fast komplett ignoriert und nur sehr selten angesprochen. Bei dem Spaziergang bin ich in der Hoffnung auf gute Straßenküchen oder leckere Snacks über zwei Basare gegangen. Dort gibt es aber nur das allgegenwärtige trockene Wüstenbrot, Früchte und Kekse zu Essen. Nun habe ich mich heute Abend von trockenen Brotkeksen mit einer Schicht Puderzucker und einer Turkmen-Cola ernährt. Alles zusammen hat vielleicht 50 Cent gekostet und macht auch satt. Außerdem lag viel rohes Fleisch und etwas nicht mehr so ganz frischer Fisch aus. Viele Menschen haben den ersten warmen Tag ausgiebig genutzt und die Straßen waren voll mit spielenden Kindern und Leuten, die einfach nur auf der Straße saßen.

Nachdem der eine Russe nach Hause gefahren ist, hat sich die Anzahl der Leute, die hier eine mir bekannte Sprache sprechen halbiert. Eigentlich sogar mehr als nur das, denn die Russin, die sonst noch Englisch spricht, sagt häufig nur "Yes" und lächelt freundlich.

04.02.06 Mary/Turkmenistan, 20,50h

Heute ist es noch wärmer und ich habe auf dem Balkon gefrühstückt. Gestern hat man hier richtig gemerkt, dass wir in der Wüste sind. Es gab hier einen kleinen Sandsturm. Nun riecht es nicht mehr so unangenehm, dafür hatte ich dauernd Sand in den Augen. Mir kann man es einfach nicht recht machen,...

Man sollte meinen, dass die hiesige Regierung die Medien stark kontrolliert, dem scheint aber nicht ganz so zu sein. Zumindest, wenn man von den staatlichen Sendern, den Zeitungen, der Pflichtlektüre, der Beschränkung des Internets und den Plakaten, den allgegenwärtigen Kontrollen, Durchsuchungen und ein paar anderen Sachen absieht. Immerhin hat hier fast jede Wohnung eine oder zwei riesige Satellitenschüsseln mit meist mehreren Empfängern. Mir wurde schon stolz erzählt, dass jemand rund 600 Programme, darunter auch mehrere Deutsche Sender empfangen kann. Allerdings gibt es hier sehr, sehr wenige, die außer Russisch und Turkmenisch eine weitere Sprache sprechen. Und auch die Russischen Sender sind nicht gerade unabhängig. Für mich ist die Unverfügbarkeit des Internets ein großes Manko. In Mary ist das Internet praktisch gar nicht zugänglich. Im Hotel wurde ich mit dem Wunsch nur seltsam angeschaut. In Ashgabat gab es zwar einen Internetzugang im Businessbereich des Hotels, dort soll es aber so langsam und so teuer sein, dass man somit, mit wenigen Ausnahmen, vom internetfreien Turkmenistan ausgehen kann. Ich konnte das mit dem Internet im Hotel nicht prüfen, weil die Leitung dauernd blockiert war.

Gestern waren wir in einer der drei Discos von Mary. Beim Betreten der Disco haben sich drei Türsteher vorgestellt und uns gebeten, ihnen Bescheid zu geben, wenn es Probleme gibt. Hmmm,... Zunächst haben nur die Mädels getanzt, dann kam etwas qualitativ schlechtere Musik und die Jungs haben getanzt. Ein russischer Kollege und ich haben dort ein Bier getrunken und ein weiterer Russe kam hinzu, um sich eigentlich mit uns über heiße Mädels zu unterhalten. Er arbeitet auf einem Ölfeld etwa 100 Kilometer von hier mitten in der Wüste. Scheinbar unterhielt er hier ein kleines Nebengewerbe. Um Punkt 23h gingen die Leuchtstoffröhren an und die Musik war aus. Beim Verlassen der Räume gab es dann tatsächlich die eine oder andere Rauferei. Wir wurden wie VIPs von den Türstehern nach Draußen begleitet und nachdem das pubertäre Getue einiger Jungen abgeklungen war, wurden wir in ein Taxi gesetzt. Zu Hause angekommen, saß ich noch ein paar Minuten auf dem warmen Rasen hinter dem Hotel und habe die endlich mal bessere Luft genossen.

Heute bin ich nach der Arbeit wieder in der Stadt gewesen. Als die Kinder bemerkt habe, dass ich Fotos mache, haben sie sogar darum gekämpft, mit aufs Foto zu kommen. Als ich aufgeklärt hatte, dass ich kein Russe, sondern "Njimitz", also Deutscher bin, riss einer in bekannter Manier den rechten Arm in die Höhe und rief wie der Taxifahrer vor zwei Tagen "Heil Hitler". Glücklicherweise konnte ich ihn stoppen, bevor die anderen Kinder mit einstimmen konnten. Wir müssen mal mit unserer PR-Abteilung reden.

07.02.05 Mary/Turkmenistan, 20,39h

Merv war vor gut 1500 Jahren eine riesige Metropole und war neben Bagdad die größte Stadt in Zentralasien. Das Gebiet, in dem sich die unterschiedlichen Stadtmauern befinden umfasst etwa 10 Quadratkilometer. Alexander der Große soll hier einen Posten gehabt haben, bevor die Schergen von Dschingis Kahn innerhalb kurzer Zeit mehr als eine Millionen Menschen töteten. Die ganzen Stadtmauern und Gebäude waren landestypisch aus Lehm und sie sind schon stark zerfallen. Man bekommt aber einen guten Eindruck von den Dimensionen der Stadt, die hier einmal gestanden haben muss.

Heute war es übrigens sehr heiß. Ich hatte nur ein T-Shirt an und hätte ich eine kurze Hose gehabt, so hätte ich sie auch angezogen. Noch mal zur Erinnerung: Es ist Anfang Februar, also mitten im Winter und letzte Woche lag überall noch eine dicke Schneeschicht!!!

Kamele laufen hier scheinbar frei herum

Schafe gibt's auch viele und die laufen dauernd vors Auto.

Dies soll ein Grab sein. Es wird aber darum gestritten, wer hier liegen soll.

Ein kleiner Turm neben einer Moschee. Und Jan ganz oben

Die Moschee

Das Turkmenische Standardgefährt. Unser Wagen steht dahinter.

Diese Festung soll für 40 Frauen gewesen sein. Schon vom Anfassen bröckelt das Material. Ein Wunder, dass es so lange gehalten hat

Auch ein normales Bild hier

Ein typisches Motorrad: Ein Russischer Nachbau der guten Vorkriegs - BMW

Man sieht hier viele Pferde- und Eselskarren

Der Staudamm bei dem fast 100 Jahre alten Wasserkraftwerk. Das Triebwerk stammt aus St.Petersburg, der Generator aus Ungarn und die Schrauben, sowie ein paar weitere Metallteile aus Deutschland

Der Kontrollraum. Er wird noch immer benutzt und wenn genug Wasser da ist, liefert dieses Kraftwerk genug Strom für den ganzen Ort

08.02.06, 22.35h:  Letzter Tag in Mary!!!

Heute auf dem Weg zum Hotel war Hochbetrieb auf der Straße:

Heute morgen war ich in der Stadt um mir noch Geld zu besorgen. Kaum zu glauben, aber in ganz Mary und im Umkreis von gut 350 Kilometern gibt es keinen Geldautomaten, der irgendeine uns bekannte Karte akzeptiert. Nicht einmal in den vielen Banken, worunter sogar zwei "Western Union" Banken waren, wollte man mir selbst mit Reisepass auf Visa, EC, Eurocard oder der American Express Geld aushändigen. Selbst Traveller Cheques kannten die hier nicht. Immer die gleiche Antwort: Nächster Geldautomat oder nächste Geldauszahlung in Ashgabat. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen: Ich hätte eine Kreditkarte verlieren müssen, um eine Notfallauszahlung tätigen lassen zu können. Ansonsten hätte mir auch jemand Geld per "Money Transfer" schicken können, aber das ist ja nun nicht mehr nötig. Im Hotel kann ich zwar als Zahlungswunsch die Visa ankreuzen, der entsprechende Kartenleser soll aber erst in ein paar Monaten installiert werden.

Gerade habe ich mit ein paar Mitarbeitern der UNHCR, der UN Flüchtlingsorganisation zu Abend gegessen. Eine junge Dame hatte bereits den Zwischenstopp in Aserbeidschan mit mir durchlitten und zufällig stand sie heute Abend mit ein paar ihrer Kollegen im Foyer.

Ich habe heute einigen Einheimischen Bilder vom Präsidenten, seinen Statuen und den vielen Tafeln mit seinen Sprüchen gezeigt. Ich habe die Leute zwar nicht verstanden, aber ihre Reaktionen waren viel sagend. Mal lachten sie laut, mal rümpften sie die Nase und mal verdrehten sie die Augen. So richtig ernst wird er scheinbar nicht genommen.

Ja, die Turkmenen sind traditionell ein Nomadenvolk. Wenn es denen an einem Ort nicht gefällt, ziehen sie weiter. Sie sind zufrieden, wenn sie in Ruhe gelassen werden und ihr Leben leben können. 

Jemand hat mal gesagt, ein Land bekommt den Führer, den es verdient. Ich denke, es gilt auch anders herum.

09.02.06, Ashgabat/Turkmenistan, 23.43h

Rückfahrt nach Ashgabat:

Nach Übergabe der Anlage habe ich mit einigen Kollegen noch ein Glas Birnenschnaps angestoßen und dann bin ich zu meinem Fahrer.

Viereinhalb Stunden Wüste, Sandstürme, eine schier unendliche Buckelpiste, 6 Passkontrollen und mehrfache oberflächliche Autodurchsuchungen waren aber das Panorama wert, das sich uns bot.

Wir sind lange direkt an dem Gebirge entlang gefahren, welches die Grenze zum Iran darstellt und ich hatte streckenweise sogar das iranische Netz mit meinem Handy empfangen.

Im Hotel angekommen habe ich mich erst einmal in die Badewanne gesetzt und dann Nachrichten geschaut. Mir scheint, in den letzten eineinhalb Wochen ohne Internet und Nachrichtensendungen in einer mir bekannten Sprache, verpasst man doch einiges. Leider ist es jetzt sehr stürmisch draußen und wahrscheinlich fällt hier deshalb alle paar Minuten der Strom aus.

Morgen früh gehe ich nach einem ordentlichen Frühstück mit richtigem Brot zum Büro und versuche, diese Seiten hochzuladen.

Jetzt will ich nur noch schlafen. Gute Nacht

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