"Salam Aleykum" oder auch "Sdrast-vuy-te" aus Zentralasien

27.01.05, Baku/Aserbaidschan, Ortszeit: irgendwas nach Mitternacht.

Allen Unkenrufen der Kollegen zum Trotz habe ich mich auf den Einsatz in Turkmenistan gefreut und nun bin ich bereits unterwegs. Warum ich im Flieger sitze und trotzdem schreiben kann? 

Den Reisepass mit dem Visum habe ich rechtzeitig bekommen, das Flugticket konnte ich bequem am Schalter abholen, Einchecken und der Anfang vom boarding war prima aber dann stand der Shuttlebus erst einmal eine halbe Stunde vorm Gate in Frankfurt und wir sind mit insgesamt einer Stunde Verspätung gestartet. 

(Links: ein Blick aus meinem Hotel in Baku/Aserbeidschan auf den Präsidentenpalast, links im Bild ist die Strandpromenade und dahinter liegt das Kaspische Meer)

Es hatte letzte Nacht sehr stark geschneit. Schon die Autofahrt zum Flughafen war eine Schlitterpartie und nun sitze ich im Flieger auf dem Rollfeld von Baku in Aserbaidschan. Wir müssen warten, bis der Flug nach Ashgabat in Turkmenistan fortgesetzt werden kann. Dort hat es nämlich auch geschneit und die Landebahn soll vereist sein, weshalb wir noch ein bis zwei Stunden hier ausharren müssen. Wir sitzen hier übrigens nicht in einer Antonnow-Frachtmaschine, sondern in einem schicken, neuen Airbus mit Infotainment und sehr charmanten Flugbegleiterinnen.

Wie morgen mein Inlandsflug nach Mary aussieht, werden wir sehen.

Turkmenistan gehörte übrigens früher zur Sowjetunion, beziehungsweise später zur GUS und ist nun eine "Einparteiendemokratie" mit einem "demokratisch" auf Lebenszeit gewählten Führer, der mit dem Personenkult dem Kim Yong Il um nichts nachstehen soll. Das Land liegt zu 90% in der Karakum-Wüste östlich des Kaspischen Meers und die Nachbarn sind Iran, Afghanistan, Usbekistan und Kasachstan. Ashgabat liegt etwa 50 Kilometer vom Iran entfernt. China ist übrigens von dort aus auch nicht mehr weit und ich habe praktisch genau die Hälfte des Weges nach Shanghai zurückgelegt.

(rechts: Blick Richtung Innenstadt von Baku)

Mary, die Stadt in der ich nun für ein bis drei Wochen arbeiten soll, liegt in einer Oase im Landesinneren, etwa 400 Kilometer östlich von Ashgabat. Sie hat rund 100.000 Einwohner und liegt in der Nähe von Merv, einer historischen Stätte, zu der ich mehr schreiben werde, falls ich Zeit habe, diese Stadt zu besuchen.

Die Bevölkerungsdichte? Turkmenistan liegt zu 90% in der Wüste! Insgesamt hat Turkmenistan ca.4,5 Mio. Einwohner. Klima? Im Moment vereist, Schnee, Temperaturen um den Gefrierpunkt, im Sommer über 50°C im Schatten und es ist normalerweise recht trocken. Sprachen? Turkmenisch und Russisch. "Men dushenamok!" Kann ich beides nicht, aber ich weiß über die Anlage Bescheid und ich sollte es auch mit einer Minimalkommunikation fertig bekommen. Außerdem bin ich schon viel unterwegs gewesen und verhungert bin ich noch nicht.

Bald geht´s bestimmt weiter und ich laufe noch mal durchs Flugzeug.

"Sagh bol!" und bis später!

 

28.01.05, Ashgabat/Turkmenistan, Ortszeit: 17.12h

(Links: Erstes Bild in Turkmenistan, das Flugzeug nach der Landung)

Ja, der Flug nach Mary ist gestrichen und ich sitze bis Montag in Ashgabat fest. Das macht mir aber nichts, denn ich habe ein sehr schönes, warmes Hotelzimmer mitten in der Stadt, habe vorhin in der Badewanne gelegen und mich von gestern auskuriert, denn ich wurde hier nicht nur sehr freundlich aufgenommen, sondern ich habe direkt ein paar weitere Bekanntschaften geschlossen. Nun aber erst einmal zurück zur Anreise:

Nach dem letzten Bericht sind wir nicht weitergeflogen, sondern wir mussten nach zwei Stunden auf dem Rollfeld das Flugzeug verlassen. Der Flughafen Ashgabat war vereist und die einzige Räummaschine war defekt. Die Flugbegleiter waren, wie gesagt sehr freundlich, aber der Betreuer vor Ort war,... naja, eigentlich nicht da. So standen wir noch mal mehrere Stunden auf dem Flughafen, mussten uns Visa für Aserbeidschan für 40 USD besorgen und wurden dann weiter in die Stadt Baku gefahren, wo wir gegen 5.30h in einem Hotel untergebracht wurden. Nach einem Bier und einem Sandwich ging´s für drei Stunden ins Bett, bevor wir nach dem Frühstück einmal durch die Stadt gelaufen sind, um dann wieder eine halbe Stunde mit dem Bus zum Flughafen zurückzufahren. Tja, das Flugzeug war wieder fit, aber trotzdem standen wir wieder sehr lange auf dem Rollfeld, bis wir gegen 15h Ortszeit abhoben. Die Sicherheitsvorkehrungen in Baku waren heftig. Dreimal wurde das gesamte Gepäck durchleuchtet, wir mussten die Schuhe ausziehen, etc. Aber trotzdem ging es dort schneller als in Turkmenistan. Nach etlichen Passkontrollen, vielen Formularen und noch mehr Warterei kam die Zollkontrolle. Alle Leute vor mir wurden peinlichst kontrolliert. Alle Taschen wurden geöffnet, die Unterhosen genauestens begutachtet, mitgeführtes Geld gezählt, Fragen zu der Herkunft der Socken gestellt, Computer mal hochgefahren, mit Fotoapparaten gespielt, CDs analysiert und mitgeführte Bücher wurden fast ganz durchgelesen, bis man dann das Chaos wieder zusammenpacken durfte. Ich hatte drei große Taschen voller Arbeitssachen, Aktenordner, CDs, Computer, Handheld, Kamera etc. und zur Toilette musste ich auch. Aber es gibt überall Verhandlungsspielraum und so durfte ich ohne Fragen mit der freundlichen Unterstützung eines Offiziers an der Schlange vorbei. Beim nächsten mal werde ich den "VIP-Service" für 10 USD buchen. Dann wird man mit einer Limousine am Flugzeug abgeholt, das Gepäck fertig "gecheckt" zum Flughafenausgang gebracht und anstehen braucht man auch nirgends.

Unser Fahrer brachte mich zum Firmenbüro, wo ich herzlich empfangen wurde. Ich habe ein paar Geschenke verteilt und dann konnte ich etwas Geld wechseln und schon bin ich Multimillionär. Fürs Wochenende sollten 2,5 Mio. Manat reichen. Dumm ist nur, dass der größte Geldschein 10.000 Manat sind und somit brauche ich jetzt kein Portemonnaie mehr, sondern eine große Tragetasche. Auf dem Bild rechts habe ich nur ein paar Hunderttausend Manat in der Hand, das Budget für einen sparsamen Abend.

Nach einer Dusche und einer kleinen Pause mit einem anschließenden Spaziergang um das Hotel wurde ich von einer sehr charmanten Mitarbeiterin aus dem Büro abgeholt und wir zogen mit einer weiteren Dame durch das Nachtleben von Ashgabat.

Zunächst waren wir auf der "Crazy-Party" in einem Hotel. So crazy war das aber gar nicht und so gingen wir in einen Club und haben etwas getanzt und gefeiert. Der Club hätte so auch in Shanghai stehen können. Rund um die Tanzfläche standen Tische mit sehr bequemen Ledersesseln, die Musik war eine Mischung aus House, Beatbox und irgend etwas orientalischem. Hat mir aber sehr gut gefallen. Später wurde ich wieder zum Hotel gebracht, wo ich weitere Mitarbeiter aus anderen Konzernbereichen getroffen habe. Mit einem von den beiden war ich dann noch in der Hoteldisco. Dort gab es ganz gute Musik und einen Frauenüberschuss, wie es ihn nicht mal in der Unimensa der sozialpädagogischen Fakultät in Vechta geben dürfte.  Sehr hübsch waren sie auch, aber es war klar, dass sie nicht zum Vergnügen hier waren. Zumindest nicht zu ihrem, sondern um sich für das "Wohlbefinden" der männlichen Gäste voll und ganz einzusetzen. Auch in der Hotelbar über der Lobby sitzen auffällig viele junge Mädchen, die sich normalerweise nicht an solchen Orten herumtreiben würden. Sie hatten aber keine aggressiven "Verkaufsstrategien" und wir hatten unsere Ruhe. Wir tranken eine große Flasche russisches Bier mit einer 9 auf dem Label. Was die 9 bedeutet? Ich habe es nach dem Bier erfahren. Es gibt diese Biersorte mit 1,3,5,7 und 9. 1 ist quasi "light", 3 ist unser normales Pils,... und 9 so etwas wie Doppelbock. Heute morgen ging´s mir zumindest nicht gut und ich hätte auch nicht Multivitaminsaft zum Löschen des Durstes trinken sollen.

Heute habe ich somit den Tag in der Badewanne begonnen und mir auf dem Computer dabei einen Film angeschaut. Mit den beiden Kollegen war ich dann gerade noch auf dem Basar und habe ein wenig Brot gegessen und mit einer Türkmen-Cola meinen Magen gepflegt. In Shanghai wurde man damals immer nach DVDs/Bags/Watches gefragt. Hier sagen sie "Dollar/Manat?" In Turkmenistan gibt es zwei Wechselkurse. Offiziell in den Banken und Hotels bekommt man 5.000 Manat für einen Dollar. Auf der Straße bekommt man 25.000 Manat für einen Dollar.

Ich weiß nicht, wie es an anderen Orten ist, aber hier ist fast alles recht teuer. Ein Abendessen hat uns pro Person ca. 10 Euro gekostet, Flaschenbier in der Bar kostet zwei bis drei Euro.

Auf dem Markt selbst wurde man in Ruhe gelassen, oder die Waren wurden freundlich angeboten. Wir haben getrocknete Früchte bekommen und die Teigtasche, die ich mir gönnte, war auch sehr lecker. Etwas seltsam ist, dass es viele Alkoholgeschäfte gibt. Immerhin ist Turkmenistan zu 90% muslimisch.

Ich kann mich hier bisher wirklich nicht beklagen. Alle sind super freundlich und zuvorkommend, das Zimmer ist prima, im Fernseher gibt es RTL, ZDF, Euronews, einen Musiksender und ein paar staatliche "Werbesendungen", in denen das Leben des Präsidenten dokumentiert wird. Heute war jemand hier, der meinen Computer ins Internet bringen wollte. Funktioniert noch immer nicht und mir wurde gesagt, dass es nicht am Hotel liegt. ich werde es später noch einmal versuchen. Der Techniker meinte, das Internet ist im Preis für das Zimmer drin, aber ich vermute, dass es teuer wird. Ein Telefongespräch nach Deutschland oder China kostet 9, beziehungsweise 12 USD/Minute und im Internetcafé wollen die 20 USD für eine Stunde arg gebremstes Analoginternet. Allerdings kann man das auch mit Manat zahlen und wenn die den offiziellen Wechselkurs zu Grunde legen, ich aber mit alternativ gewechseltem Geld bezahle, sind´s nur noch etwa 5 USD pro Stunde. Sobald es geht, werde ich mal diese Seiten hier hochladen und Mails verschicken. Wahrscheinlich bekomme ich am Montag eine turkmenische Telefonkarte geliehen, damit bin ich dann auch hier zu vertretbaren Telefonpreisen erreichbar. Aber denkt daran, Hier ist es immer vier Stunden später als in Deutschland!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn ich aus meinem Zimmer blicke, sehe ich direkt auf die Statue vom Präsidenten. Die steht golden auf diesem dreibeinigen Monument. Damit die Statue immer korrekt beleuchtet wird, dreht sie sich mit der Sonne. Bei einer Fahrt mit dem Taxi habe ich Monumente gesehen, die alles, was ich bisher gesehen habe in den Schatten stellt. Hier gibt es ein Olympiastadion mit riesigen Ausmaßen, das, soweit ich gehört habe, kaum benutzt wird, Nebenan entsteht ein Schwimmstadion, gewaltige Paläste und Behördengebäude sind im Stadtzentrum verteilt. Es soll nun eine weitere Prachtstraße mit einem neuen Stadtzentrum entstehen. Keine Geschäfte, sondern weitere Monumente und Prachtbauten sollen dort entstehen. Im Fernsehen wurde gesagt, daß diese Prachtstraße aus dem All sichtbar sein soll. Der Reichstag in Berlin oder die Rathäuser von Hamburg und Shanghai würden hier nicht weiter auffallen. Bilder des Präsidenten prangen überall. Selbst über dem Eingang des Hotels hängt ein Bild des Präsidenten. In der Lobby liegen Bücher über den Präsidenten aus und man könnte glauben, dass bald Parlamentswahlen sind und der Präsident für alle Parteien antritt. Und wenn man dann überlegt, dass Turkmenistan so viele Einwohner hat wie Irland und in Ashgabat etwa 550.000 Menschen leben,...

Dass im Moment so viel Schnee liegt, ist anscheinend äußerst ungewöhnlich. Letzte Woche herrschten hier am Tage warme zweistellige Temperaturen. Heute Abend bin ich wieder mit ein paar Leuten verabredet, morgen machen wir etwas Sightseeing und am Montag geht dann nach der offiziellen Anmeldung in Turkmenistan mein Flieger nach Mary. 

Sonntag, 29.01.06, Ashgabad, 14.45h

Gerade habe ich einen Spaziergang durch die Stadt gemacht. Ich kann hier garnicht schreiben, was mir bei vielen Sachen durch den Kopf gegangen ist und leider konnte ich nicht viele Bilder machen. An jeder Ecke stehen Soldaten und sie lächeln freundlich, bis sie bemerken, dass ich eine Kamera dabei habe. Oft wird mir signalisiert, dass keine Fotos erlaubt sind.

Rechts sehen wir wieder das Dreibein mit der frei drehbaren, 12 Meter hohen, goldenen Präsidentenstatue auf der Spitze. Mit einem Fahrstuhl kann man für 1000 Manat hinauf fahren und von dort aus habe ich ein paar weitere Bilder gemacht. 

Die Fenster waren verspiegelt und so habe ich das Bild links gemacht.

Direkt neben dem Dreibein ist das Monument und das Erdbebenmuseum. Es sollen vor 1948 etwa 110000 Menschen ums Leben gekommen sein. Fünf Jahre soll damals die Stadt geschlossen gewesen sein, um die ganzen Leichen zu beerdigen, die Trümmer aufzuräumen und die Stadt wieder aufzubauen. Während dieser Zeit durfte niemand in die Stadt einreisen oder sie verlassen.

An dem Platz der Unabhängigkeit liegt zum einen das "Ministerium der Gerechtigkeit", der Palast des Turkmenbashi (Präsident Niyazov), das Verteidigungsministerium und noch ein weiterer Palast, die mit Französischer Beteiligung gebaut wurden.

Der Unabhängigkeitsplatz

Der Palast mit riesigen Bildern vom Präsidenten

Blick vom Dreibein auf das Erdbebenmonument. Darunter liegt das Erdbebenmuseum.

Der Ochse trägt die zerstörte Erde mit seinen Hörnern und aus den Trümmern wird ein goldenes Kind (der Präsident) von seiner Mutter aus den Ruinen getragen. Der Präsident hat bei dem Erdbeben die Mutter und zwei Brüder verloren. Der Vater starb bereits im zweiten Weltkrieg.

Ich hoffe, dass ich am Montag nach Mary reisen kann, um mit der Arbeit anzufangen. Am Montag werden nun die Einreiseformalitäten erledigt. Das wird sicherlich mehrere Stunden dauern. Sobald ich wieder einen Internetzugang habe, werde ich weitere Berichte schreiben, denn ich habe zwischendurch eine der größten Moscheen der Welt und das Mausoleum der Familie des Präsidenten besucht.

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